„Wir alle haben richtig Bock auf die Deutschland Tour“, so vermeldete der Schwenninger Jan Hugger vor dem Start des einzige deutsche Profi-Etappenrennen, das am Mittwoch mit einem kurzen Zeitfahr-Prolog in Weimar startete und am Sonntag mitten in Stuttgart endete. Was sie aber aus dem „Bock“ gemacht haben, das war so nicht vorhersehbar. Es war ein phänomenales Rennen, das die Jungs des Drittdivisionärs „Team Lotto Kern-Haus“ über die fünf Renntage ablieferte. Motto: Alle für einen und auch einer für alle. Mit starker Eigenarbeit, aber auch mit Hilfe der hart arbeitenden Teammates - vor allem auch auf der Schlussetappe - sicherte sich der 22-jährige Jakob Geßner das blaue Berg-Trikot bei der vierten Auflage der Deutschland Tour nach dem Restart 2018.

14 World Tour-Teams, zwei Pro-Continentalteams, drei Continental-Equipes (zu denen Lotto Kern-Haus zählt) und die deutsche Nationalmannschaft konkurrierten vom 24. bis 28.August auf der Strecke quer durch Deutschland. 710 Kilometer und 11.000 Höhenmeter von Weimar nach Stuttgart. Erstmals mit Prolog und mit einer Bergankunft auf den Schauinsland bei Freiburg. Ein prominent besetztes Starterfeld, mit einer ganzen Reihe namhafter Profis. Auch der feine Superstar Egan Bernal (Ineos Grenadiers) testete seine gerade erst nach einem schweren Trainingsunfall zusammengewachsenen Knochen. Sein Kapitän und Routinier Simon Yates holte sich den Gesamtsieg. Mit dabei auch der Bergkönig der Herzen der diesjährigen Tour de France, Simon Geschke, diesmal als Kapitän der deutschen Nationalmannschaft - und ohne Fortune. Auch den Heimvorteil auf der Königsetappe mit Ankunft auf dem Schauinsland und einem riesigen Fanspalier trotz Gewitterschauer, brachte ihn nicht nach vorn. Deutschlands einziges Profi-Team BORA hansgrohe, erfolgreich bei Giro und Frankreichrundfahrt, blieb daheim hinter den Erwartungen zurück. Umso mehr leuchtete das Blau des Bergtrikots von Geßner und dessen kleiner Equipe Team Lotto Kern-Haus.

„Wir haben als Team abgeliefert und als Team das Bergtrikot gewonnen. Was wir am Sonntag speziell gemeinsam geleistet haben, damit wir es auf die Schlussrunde schaffen und Jakob das Trikot behalten kann, war schon eine gute Leistung von uns allen!“, verriet der 24-jährige Hugger. Denn sie befanden sich mit einiger Prominenz im Hauptfeld des Peletons, aber mit riesigem Zeitabstand zur Spitze. Plötzlich ging es nur noch darum innerhalb der Karenzzeit auf die Schlussrunde in der Stuttgarter Innenstadt zu kommen. Andernfalls wäre nicht nur das blaue Bergtrikot flöten gegangen, sondern kein einziger Lotto Kern-Haus-Fahrer in die Wertung gekommen. Es passte, und „die ganze D-Tour war ein Riesenerfolg von uns! Wir haben bewiesen, dass sich BORA-hansgrohe den richtigen Partner für eine Development-Kooperation ausgesucht hat“, ist der Student des Wirtschaftsingenieurwesen/Service/Management überzeugt. Vor dem Start der Schlussetappe in Schiltach hatte nämlich BORA-hansgrohe eine U23-Partnerschaft mit dem Rennstall aus Weitersburg, aber auch mit dem ebenso erfolgreichen Kontinentalteam „Tirol KTM Cycling Team“ verkündet.


Jan Huggers Tag der Tage war der Tour-Freitag. Auf der längsten Etappe von Meiningen nach Marburg über 200,7 Kilometer setzte er sich mit drei weiteren Fahren kurz nach dem Start ab und wurde erst rund 160 Kilometer später wieder eingefangen. Alles festgehalten von den Kameras der Fernsehanstalten und deren Kommentatoren. Bei diesem langen Ausritt verrichtete Jan Hugger ganze Arbeit und sicherte wertvolle Bergpunkte, was für die Verteidigung des Wertungstrikots von Teamkollege Geßner wichtig war.

 

Das spezielle Fazit des jungen Radprofis vom Neckarursprung: „Für mich persönlich bedeutete es allein schon viel, die Rundfahrt, bei der ich vor genau einem Jahr meinen Oberschenkel gebrochen hatte, zu beenden. Das Bergtrikot von Jakob, die unglaubliche Teamarbeit, das war schon ein irres Ding!“ Jan Hugger wurde in der Gesamtwertung als 64. gelistet - mit 28 Minuten Rückstand auf den Sieger Yates. Als Helfer spielte die Platzierung allerdings eine absolut untergeordnete Rolle, der vorgegebene Arbeitseinsatz wurde bestens erledigt und hervorragend honoriert – mit Geßners blauem Leibchen.

(Für Team Lotto Kern-Haus waren am Start: Jakob Geßner, Joshua Huppertz, Marcel Meisen, Alexander Tarlton, Ole Theiler und Jan Hugger)


Text: uhu

Fotos: Marcel Hilger/Clara Nagel/Team Lotto Kern-Haus //  Rot-Foto/ Hennes Roth // uhu