Mit Pistazien, süßen Honignüssen, einer Menge Eindrücken und einer sehr guten sportlichen Arbeit für den Kapitän seines Teams, kehrte Jan Hugger von der sechstägigen „32.International Cycling Tour of Iran (Aserbaitschan)“ (8.-13.Oktober 2017) und insgesamt 1014 Renn-Kilometer in die Heimat am Neckar zurück. Das UCI 2.1-Rennen wurde 1986 erstmals veranstaltet und zum 32.Mal gestartet.
Die sechs Etappen führten überwiegend von oder nach Tabriz, einer Stadt mit knapp 1,56 Millionen Einwohnern, die zu einem der größten kulturellen Zentren des iranischen Aserbaidschan zählt. Meist bewegten sich die Radsportler der 14 Teams aus zehn Nationen (darunter auch Australien und Japan) auf 1400 Meter über dem Meeresspiegel durch wüstenähnliche Gegenden mit Anstiegen bis hinauf in die 2000er-Zonen und umgeben von noch höheren, schneebedeckten Gipfeln.
Das kleine, deutsche 0711/Cycling-Team bildete mit den beiden Teams aus Belgien und den Niederlanden die europäische Fraktion. „Wir hatten nur vier Fahrer zur Verfügung, alle anderen Mannschaften starteten mit sechs Teammitgliedern, das ist natürlich schon spürbar. Aber wir machten zu dritt, da auch noch einer unserer Fahrer Jonas Engel gesundheitlich angeschlagen war, einen echt guten Job“, betont Hugger bei seiner Rennbilanz. Oft ging es auf den Rennstrecken auf dem eher rauhen, persischen Asphalt einfach nur lange geradeaus: „Ich habe eigentlich nur wegen der Manöver im Feld gebremst, weniger wegen irgendwelcher Kurven“, schmunzelt der 19-Jährige. Die Teamregie war klar: Alle für Nicola Toffali (Toffi), dem starken Italiener im deutschen Kontinentalteam. Und immer schön „Windkante“ fahren. Der Wind hörte an keinem Tag auf zu blasen.
Die erste Etappe über 144 Kilometer führte von Tabriz nach Urmia, der „Stadt am Wasser“. Den stark salzhaltigen Urmiasee überquerte das Fahrerfeld auf einer 20 Kilometer langen Brücke. „Wir dachten ja, wir überqueren einen See, aber da war kein Wasser, da war nur Salz“, ist Hugger überrascht über die Situation im UNESCO-Biosphärenreservat. Der U23-Fahrer hatte es sich auf der ersten Etappe in einer Ausreißergruppe an der Spitze gemütlich gemacht, verpasste dabei nur um 30 Zentimeter das Bergtrikot. Richtung Ziel regulierte sich das Feld wieder von selbst. „Toffi“ schrammte im Ziel als Vierter knapp am Podest vorbei. Der Schwenninger wurde 27ster.
Bilder oben: vl. Alex Ballet, Jonas Engel, Jan Hugger, Nicola Toffali - lockeres TV-Interview
Die längste Etappe über die Mega-Distanz von 209 Kilometer folgte bei 25 Grad und blauem Himmel bereits am zweiten Tag von der Hochschulstadt Urmia aus rüber ins kleine Jolfa, das zur Freihandelszone (Aras Free Zone) in Ost-Aserbaitschan gehört. Auch hier wurde für Toffi gearbeitet, der diesmal als Zwölfter das Ziel erreichte. „ Ich war im Feld. Das war ziemlich hart am Berg und extrem windig. Die Iraner haben richtig Tempo gemacht. Von uns war nur Toffi vorn, aber der fuhr richtig stark“, notiert Hugger.
Von 712 Meter über dem Meeresspiegel kletterten die Fahrer am dritten Tag 75 Kilometer nonstop hinauf auf 1769 Meter. Das Ziel in Tabriz erreichte das Feld dann nach insgesamt 155 Kilometer. Für Kletterer Hugger endete der dritte Tag auf dem sehr guten zehnten Platz. Da Toffali als Sechster ins Ziel sprintete, hatte das deutsche Team zwei Fahrer in den TopTen. „Da lohnt es sich, dass wir daheim auf über 700 Meter leben, das kam mir hier schon zugute“, grinst Hugger: „ Alex Ballet und ich haben auf den letzten fünf Kilometern fortwährend attackiert, um eine Vorentscheidung herbeizuführen. Schließlich kam Nicola zwei Kilometer vor Schluss alleine weg. Das Feld holte ihn praktisch auf der Ziellinie ein, er kam noch auf den sechsten Platz. Ich war vorne, um das Feld etwas zu bremsen, hatte daher eine perfekte Position für den Sprint und wurde Zehnter."
Auf der erneut windigen, vierten Etappe über bergige 196 Kilometer von Tabriz nach Sarein (bekannt für seine heißen Quellen), sollte sich das Rennen für Kapitän Toffali bereits vorentscheiden. Elf Sekunden kostete sein Defekt rund fünf Kilometer vor dem Ziel. In Sarein wurde er Elfter. Toffis Sprint auf den zweiten Platz nach 192 Kilometer der fünften Etappe vom regnerischen Sarein zurück nach Tabriz reduzierte den Rückstand auf vier Sekunden. Auch diesmal arbeiteten die beiden jungen 0711-Athleten Alexandre Ballet (Schweiz) und Hugger erneut wie die Berserker.
Als Führender der U26 -„Nachwuchs“-Wertung und als Gesamtdritter mit nur vier Sekunden Rückstand auf den Ersten startete Toffali auf die letzten 114 Kilometer. Der Rundkurs führte über eine Autobahn in Tabriz. Man wollte sich bei den Zwischensprints und auch beim Zielsprint die nötigen Bonussekunden sichern. „Toffi hat mich in der letzten Runde nach vorn zum Angriff geschickt. Ich konnte sogar eine 200 Meter lange Lücke reißen, wurde aber wieder gestellt. Alex und ich haben auf Wunsch von Toffi immer wieder angegriffen. Er wollte das Rennen so hart wie möglich machen. Leider hat es mit den Bonussekunden nicht mehr geklappt“, bedauert der ehemalige Nachwuchsfahrer des RV Viktoria Niedereschach den Rennausgang. Aber auch der dritte Gesamtplatz von Nicola Toffali war ein großer Erfolg für das kleine Team. „Nicola war oft so dicht dran am Etappensieg, und auch der Gesamtsieg war in Reichweite“, meinte General-Manager Julian Rammler. „Aber ich finde, dass wir den dritten Platz gewonnen haben, und bin stolz darauf, wie wir uns in einem nicht einfachen Rennen gegen zahlenmäßig stärkere Mannschaften schlagen konnten. Das war ein schöner und erfolgreicherSaisonabschluss.“
Beim Gesamtsieg des Niederländers Rob Ruijgh und nach viel Teamarbeit wurde Hugger in seinem letzten Saisoneinsatz 43ster.
Bilder oben: Teamchef Julian Rammler und Toffi beim zweiten Etappenplatz - Podium mit dem Gesamtdritten Toffi - Physio Ramin in die Mitte genommen
Aus dem Iran nimmt er spannende Erinnerungen mit nach Hause. So war das Interesse an den 0711-Fahrern bei Medien und Zaungästen groß. Einem Fernsehsender stand der zukünftige Student aus Schwenningen Rede und Antwort. Junge Iranerinnen zückten ihre Handys für Selfies mit den Rennfahrern. „Und wenn Du auf einer doppelspurigen Straße fährst, musst Du immer damit rechnen, dass mittendrin noch einfach so eine dritte Spur aufgemacht wird. Da hat man sich doch erst daran gewöhnen müssen. Alles in allem waren die Menschen aber unheimlich höflich. Es war ein gut organisiertes Rennen mit kleinerem Fahrerfeld, bei dem kein Team in der Lage war, das Rennen voll zu kontrollieren“, resümiert Hugger, der auch das Essen lobte, sich aber zunächst keine Datteln mehr gönnen wird.
Text: uhu/Zitat Rammler:0711/Cycling
Fotos: Marcello/0711/Cycling - einfach geklaut.....herzlichen Dank für die wunderbare Bilder-Docu auf 0711/Cycling-Facebook
Karte und Plakat: "32.Tour of Iran (Aserbaidschan)"